16.10.2024

Revolution in der Toskana

Wird es draußen allmählich kälter, sehnen sich nicht wenige von uns in den jüngsten Italienurlaub zurück. So erinnern wir uns gerne an kulinarischen Hochgenuss mit Pizza und Pasta, leckeres Eis in Siena, eine Sightseeing-Tour zu zweit auf einer Vespa oder ein gutes Glas Rotwein nahe dem Trevi-Brunnen.

Während Luxuslabels wie Gucci und Prada, Automobilhersteller wie Alfa Romeo und Ferrari oder die Cucina Italiana bei nahezu jedem Menschen eine eindeutige Vorstellung davon erzeugen, worum es sich jeweils handelt, haben und hatten ausgerechnet die Rebsorten aus dem französischen Nachbarland entscheidenden Einfluss auf die italienische Weinindustrie.

So stößt man, unabhängig davon, ob man heute im Münchner Delikatessenhaus Dallmayr oder online nach italienischen Spitzenweinen sucht, unmittelbar auf die oberste Riege der Toskana, zu der namhafte Erzeugnisse wie Masseto, Solaia oder auch Sassicaia zählen – die sich jedoch alle aus französischen Trauben zusammensetzen.

Heute ein Teil der nachgefragtesten Weine der Welt, stehen die benannten Namen stellvertretend für die Renaissance des italienischen Spitzenweins.

Doch das heutige Ansehen genossen sie nicht immer.

Die malerische Toskana

Von rustikalem Chianti zu Weltklasse-Weinen

Früher war die Toskana insbesondere für ihre einfachen Chianti-Weine bekannt, die häufig in Strohkörben abgefüllt wurden, während Qualität nur eine Nebensache darstellte. Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte das Chianti-Gebiet eine Ausweitung, die der Region zusätzlich schadete. Weinberge minderer Qualität und eine Appellation, die den Fokus auf Masse statt Klasse richtete, führten dazu, dass der einst berühmte Chianti-Wein sein Ansehen verlor. Die Winzer durften bis zu 30 % weiße Trauben verwenden und Erträge von bis zu 85 hl/ha zulassen, sodass sie infolgedessen sehr blasse und wenig komplexe Weine produzierten.

Italienischer Supermarkt

Die Geburtsstunde der Super Toskaner

Ein Mann veränderte jedoch alles: Mario Incisa della Rochetta. Inspiriert von den Weinen des Bordeaux, wo er als junger Mann Claret verkostet hatte, pflanzte er 1944 auf dem Weingut seiner Frau, der Tenuta San Guido in Bolgheri, Cabernet-Reben an. Anfangs als zu grün und unreif kritisiert, hielt Incisa della Rochetta jedoch an seinem Vorhaben fest und nahm eine weitere, entscheidende Änderung vor. Er begann in den 1960er Jahren, die Rebstöcke näher am Meer anzubauen und erzielte ein revolutionäres Ergebnis.

Sein Neffe Piero Antinori erkannte ebenfalls das Potenzial des neuen Sassicaia und perfektionierte ihn gemeinsam mit dem Önologen Giacomo Tachis. Durch den Einsatz französischer Barriques und einer völligen Abkehr von den traditionellen großen Holzfässern Italiens, verliehen sie dem Wein Tiefe und Komplexität.

Als der Jahrgang 1968 im Jahre 1971 auf dem Markt angeboten wurde, eroberte der Sassicaia, damals als „Vino da Tavola“ klassifiziert, die Weinwelt im Sturm.

Marchesi Nicolò und Mario Incisa della Rocchetta

Die rebellische Welle in der Toskana

Damit ebnete Sassicaia den Weg für eine neue Generation toskanischer Weine. Im Jahre 1971 folgte der Tignanello von Piero Antinori – eine Mischung aus Sangiovese und Cabernet, die ebenfalls den strikten Regeln der Chianti-Appellation widersprach und als einfacher Tafelwein verkauft wurde. Doch die Qualität war unbestreitbar.

In den folgenden Jahren entstanden weitere Super Toskaner wie Ornellaia und Grattamacco, die sich ebenso über die traditionellen Appellationsregeln hinwegsetzten und internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah verwendeten.

Die Super Toskaner im Überblick

Weltweite Anerkennung und Triumph

Die Weine fanden schnell weltweite Anerkennung. 1978 gewann der Sassicaia bei einer Blindverkostung der besten Cabernets der Welt – organisiert von Hugh Johnson – gegen renommierte Bordeaux-Weine. Doch damit nicht genug. Der 1985er Sassicaia erhielt von Robert Parker 100 Punkte, während im Jahre 2001 der Wine Spectator den Ornellaia 1998 zum Wein des Jahres kürte.

Die Weine trotzten dem italienischen Klassifizierungssystem und wurden zu Preisen gehandelt, die sonst nur für die besten Grand Crus aus Frankreich gezahlt wurden.

Heute stehen Weine wie Masseto, Sassicaia und Ornellaia nicht nur für den Beginn der italienischen Weinrevolution, sondern repräsentieren das Land auch auf der Bühne der besten Erzeugnisse der Welt. Die Supertoskaner stellen heute das Symbol für italienische Weininnovation dar und sind der Inbegriff der Spitzenqualität.

Co-CEO Peter Irnich